Interview: Prüfen in Corona-Zeiten
Berufsausbildung ist ein schwieriges Thema in Corona-Zeiten. Es geht um die Sicherung von ausreichend Ausbildungsplätzen, aber auch um die Qualität von Ausbildung im Kontext Home-Office, Hygieneregelungen oder auch Kurzarbeit. Am Ende der Ausbildung finden die Abschlussprüfungen statt.
Wie können Abschlussprüfungen in Corona-Zeiten stattfinden? Wir haben mit Marco Thönnes von der Debeka, Mitglied des Betriebsrats der Hauptverwaltung, darüber gesprochen, wie er die Corona-Zeit als Prüfer erlebt hat. Er ist Prüfer für den Ausbildungsberuf Kaufmann/Kauffrau für Versicherungen und Finanzen.
Was hat sich in der Prüfungsdurchführung verändert? Sind Prüfungen ausgefallen, wurden verschoben oder finden digital statt?
Es hat keine Verschiebungen oder gar Ausfälle von Prüfungen gegeben. Wir haben natürlich mit Hygienebestimmungen zu tun, d. h. Mund-Nasen-Schutz, Abstand halten oder negativer Corona-Test. Bei den mündlichen Prüfungen trennen Plexiglasaufsteller Prüfer*innen und Prüflinge. Das funktioniert, die Kommunikation klappt ganz gut, war aber auch gewöhnungsbedürftig. So ist es im Prüfungsbereich Kundenberatungsgespräch z. B. üblich, dass der Prüfling anhand eines Flyers oder anderen Anschauungsmaterials sein Vorgehen beschreibt. Jetzt müssen Flyer oder andere Materialien für die Kundenberatung unter der Plexiglasscheibe durchgeschoben werden. Das ist umständlicher, klappt aber auch.
Verändert haben sich aber die Durchführung bzw. die Inhalte der vorgestellten Projekte. Im Prüfungsbereich Fallbezogenes Fachgespräch erfolgt das Gespräch auf der Grundlage eines vom Prüfling durchgeführten Projektes. Der Charakter der Projekte verändert sich aber mit Corona. Präsenz beim Marketing funktionierte nicht, man muss mit anderen Medien arbeiten. Im Vertrieb hat man mit der persönlichen Ansprache an den Kunden zu tun. Das ging auf einmal nicht mehr. Zum Beispiel kann man die Idee, auf Indoor-Sportstätten für Unfallversicherungen zu werben, in Corona-Zeiten nur noch schlecht umsetzen. Von daher ist es nachvollziehbar, dass wir jetzt häufiger mit Projekten zu tun haben, die auf digitale Plattformen setzen. Aber eine grundsätzliche Veränderung der Prüfungssituation gibt es nicht.
Digitale Prüfungen statt Präsenz haben bisher keine Rolle gespielt, es gibt auch keine Diskussion, die in diese Richtung geht.
Verändert hat sich aber etwas an der Atmosphäre rund um die Prüfungen. Die früher übliche entspannte kollegiale Atmosphäre im Prüfungsausschuss bei der Vorbesprechung ist jetzt aufgrund der Hygiene- und Abstandsregelungen nüchterner. Besonders merkt man aber die Veränderung, die wir im Prüfungssommer 2020 hatten, in dem wir die Prüfungsergebnisse den Prüflingen nicht direkt im Anschluss mitteilen konnten. Stattdessen haben die Prüflinge ihr Prüfungsergebnis schriftlich von der zuständigen Stelle erhalten. Das hatte damit zu tun, dass die schriftlichen Prüfungen erst kurz vor den mündlichen Prüfungen stattfanden und zum Teil noch nicht bewertet waren. Hinzu kamen die Abstandsgebote, d. h., die Prüflinge sollten möglichst unverzüglich nach der Prüfung das Gebäude wieder verlassen. Das ist nachvollziehbar, aber nicht förderlich für eine positive Atmosphäre.
Wie war die zuständige Stelle im Hinblick auf Information, Koordination und Unterstützung aufgestellt?
Das klappte alles den Umständen entsprechend sehr gut. Der Koordinationsaufwand ist natürlich deutlich größer, denn die Prüflinge sollen ja erst kurz vor der Prüfung erscheinen, um Kontakte zu vermeiden.
Wie schätzt du die Qualität der Prüfungen ein? Hat es da Veränderungen gegeben?
Ich kann nicht feststellen, dass es Veränderungen hinsichtlich der Qualität der Prüfungen gegeben hat. Es gibt immer sehr gute, gute und mittlere Prüflinge und bei einigen muss man auch schauen, dass die Prüfung bestanden wird. Das hat es aber auch vorher schon gegeben, aus meiner Wahrnehmung hat sich an der Verteilung nichts geändert.
Alle waren aber froh, dass die Prüfungen stattgefunden haben und nicht verschoben werden mussten.
Gab es Erfahrungen – gute oder schlechte –, die sich lohnen, auch nach Corona in den Blick genommen zu werden?
Ich hatte schon gesagt, dass in der Sommerprüfung 2020 die Mitteilung des Ergebnisses nicht direkt im Anschluss an die Prüfung stattfand, sondern schriftlich durch die zuständige Stelle erfolgte. Ein solches Verfahren sollte man nach Möglichkeit vermeiden. Das nimmt den Prüfungen das Persönliche. Das Besondere der Situation, die Berufsausbildung abgeschlossen zu haben, kommt damit nicht zum Ausdruck. Der Status im Betrieb verändert sich, man ist nicht mehr der oder die Auszubildende. Das kann eigentlich nur in einem persönlichen Gespräch ausgedrückt werden und nicht durch ein formales Schreiben.
Eine letzte Frage: Wie bist du dazu gekommen, dich als Prüfer zu engagieren?
Während der Ausbildung habe ich mich in der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) engagiert, auch in der Gesamt-JAV. Mein Thema Aus- und Weiterbildung hat mir Spaß gemacht und ich wollte das Thema nach der Ausbildung weiter begleiten. Ich habe dann mal reingeschnuppert und es hat mir gefallen. Ausbildung verändert sich, gerade jetzt merkt man das ja auch deutlich, und durch die Prüfungen bekomme ich das mit. Da gibt es ganz interessante Projekte, auf die die Auszubildenden kommen, und mit welchen Ideen sie sich einbringen können.
Gut ist sicherlich auch, dass der Arbeitgeber dem Thema offen gegenübersteht und Freistellungen für Prüfungen kein Problem sind.