Novellierung des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) durch das Berufsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz (BVaDiG)
Am Freitag, den 05. Juli 2024 hat der Bundesrat dem Berufsvalidierungs- und digitalisierunggesetz (BVaDiG) zugestimmt, der Bundestag zuvor schon im Juni. Für Prüfer*innen sind insbesondere zwei Aspekte von Bedeutung: die Option zur virtuellen Prüfungsteilnahme von Prüfer*innen an Zwischen- und Abschlussprüfungen und die neu geschaffene gesetzliche Regelung zur Anerkennung von informell (im Erwerbsprozess erworbenen) Kompetenzen. Die neuen Regelungen treten zum 01.08.2024 bzw. zum 1.1.2025 in Kraft.
Virtuelle Prüfungsteilnahme von Prüfer*innen: Bereits zum 01.08.2024 greift eine neue rechtliche Grundlage, die es den zuständigen Stellen ermöglicht, Prüfer*innen per Videokonferenz bei Prüfungen einzusetzen. Für die Prüflinge bleibt es dabei, dass sie ihre Prüfung auch bei diesem Prüfungsformat an einem festgelegten Ort und unter Aufsicht ablegen. Die virtuelle Prüfungsteilnahme ist an eine Reihe von Bedingungen geknüpft. So muss mindestens ein/r Prüfer*in am Ort der Prüfung anwesend sein. Die Prüfungsleistung muss für das virtuelle Format geeignet sind, daher scheiden z.B. schriftliche Prüfungen aus. Prüflinge müssen über die Videokonferenz rechtzeitig informiert werden und es muss für die Funktionsfähigkeit und die Barrierefreiheit samt IT-Support während der Prüfung gesorgt sein. Eine Aufzeichnung der Videokonferenz ist gesetzlich ausgeschlossen.
Die zuständigen Stellen können darüber hinaus virtuelle Formate auch für die Sitzungen der Prüfungsausschüsse oder Prüferdelegationen vorsehen und Beschlussfassungen auf elektronischem Wege ermöglichen.
Zum 01.01.2025 treten neue Regelung zur Anerkennung von informell (im Erwerbsprozess erworbenen) Kompetenzen in Kraft. Es geht darum, berufliche Handlungsfähigkeit, die unabhängig von einem formalen Berufsausbildungsabschluss erworben wurde, sichtbar zu machen und zu bewerten. Die erworbene Handlungsfähigkeit wird am Maßstab eines anerkannten Ausbildungsberufs bewertet. Hierfür werden Personen angesprochen, die mindestens 25 Jahre alt sind und über eine Mindestzeit hinweg substanzielle berufliche Kompetenzen in einem Beruf erworben haben, ohne aber über den entsprechenden formalen Berufsabschluss zu verfügen. Aufgrund ihres Antrags bei einer zuständigen Stelle werden ihre beruflichen Kompetenzen in einem Feststellungsverfahren gemessen und bescheinigt. Wird eine vollständige Vergleichbarkeit zum angestrebten anerkannten Ausbildungsberuf bescheinigt, so gibt es ein Zeugnis, das einen automatischen Zugang zur Externenprüfung, zur fachlichen Ausbildereignung und zur Zulassung zur Prüfung der ersten und zweiten Fortbildungsstufe (Gepr. Berufsspezialist*innen und Bachelor Professional) verschafft. Wenn nur eine überwiegende Vergleichbarkeit festgestellt wird, sollen die Lücken zum Referenzberuf so explizit ausgewiesen werden, dass es leichter fällt, diese mit einer passenden Qualifizierung zu schließen.
Die Feststellung der individuellen beruflichen Handlungsfähigkeit übernimmt ein „Tandem“, das aus dem regulären Prüferpool der zuständigen Stelle kommt und dem je ein/e Vertreter*in von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite angehört. Die zuständige Stelle kann anstelle des zweiten Mitglieds des Feststellungstandems auch hauptamtlich Mitarbeitende der zuständigen Stelle bzw. Arbeitnehmer*innen eines von ihr beherrschten Tochterunternehmens benennen, wenn das Feststellungstandem dem zustimmt. Zur Feststellung der beruflichen Handlungsfähigkeit kommen Instrumente zu Einsatz, die an die Prüfungsordnung angelehnt sind und zugleich die Besonderheiten des Verfahrens widerspiegeln. Näheres zur Umsetzung des Feststellungsverfahrens wird in einer Durchführungsverordnung geregelt.
Ver.di hatte im Gesetzgebungsverfahren gemeinsam mit den DGB-Mitgliedsgewerkschaften die Einführung der neuen Verfahren zur Feststellung beruflicher Handlungsfähigkeit begrüßt. Das sehen wir als Chance zur Verbesserung der beruflichen Entwicklungswege von Erwerbstätigen, die über keinen verwertbaren Berufsabschluss verfügen. Dass die Verfahren für Validierungsinteressierte nicht kostenfrei gestaltet sein werden, sehen wir allerdings kritisch; hier müssten noch Möglichkeiten zur Kostenübernahme bzw. -erstattung geschaffen werden. Wichtig ist die erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens und auf gewerkschaftlichen Druck hin eingeführte Altersgrenze von 25 Jahren; denn eine Alternative zur dualen Berufsausbildung soll mit dem Feststellungsverfahren nicht geschaffen werden.
Der neuen Möglichkeit der zuständigen Stellen, eine virtuellen Prüfungsteilnahme von Prüfer*innen vorzusehen, stehen wir in der vorgesehen Form skeptisch gegenüber. Der Prüfung mit Zuschaltung per Videokonferenz sollten alle Mitglieder des Prüfungsausschusses bzw. der Prüferdelegation zustimmen.